Beschreibung

Thüringen hat eine sehr reichhaltige Wirtschaftsgeschichte. Bedeutende Branchen wie Bergbau, Metall- und Holzverarbeitung, Glas- und Porzellanherstellung und Textilindustrie sowie die neuen Industrien des 19. und 20. Jahrhunderts wie Elektroindustrie, chemische Industrie, Maschinen- und der Fahrzeugbau und Nahrungsgüterwirtschaft waren hier ansässig. Nicht zu vergessen die Landwirtschaft. Von keinem der vielen Unternehmen ist allerdings bekannt, dass es bereits vor 1945 über ein Archiv verfügt hätte, das in seinem Selbstverständnis auf langfristige, historische Sicherung des Schriftgutes abzielte und sich so von einer Registratur unterschied.

Durch die Verstaatlichung weiter Teile von Handel und Gewerbe in der DDR wurde Wirtschaftsschriftgut Staatseigentum und findet sich heute in öffentlichen Archiven. Wenigen großen Unternehmen gelang die Reprivatisierung nach der politischen Wende 1989/90. Von diesen wiederum waren nur einzelne bereit, sich der eigenen Tradition mit ihren Licht- und Schattenseiten zu stellen. Dies sind Carl Zeiss und das Jenaer Glaswerk, die heute bedeutende Unternehmensarchive unterhalten.

In der DDR wurden die Wirtschafts- und Unternehmensarchive als Teil des staatlichen Archivwesens behandelt. Auf Grundlage der Verordnung über das staatliche Archivwesen vom 11. März 1976 wurden einige Betriebsarchive als Endarchive bestätigt, allerdings nur für Schriftgut aus der DDR-Zeit. Älteres Schriftgut musste in den folgenden Jahren an die zuständigen Staatsarchive abgegeben werden. Sehr viele Bestände von Unternehmen und volkseigenen Betrieben sowie Kombinaten finden sich daher in den heutigen Staatsarchiven in Weimar (Bezirk Erfurt), Rudolstadt (Bezirk Gera) und in der Außenstelle Suhl des Staatsarchives Meiningen (Bezirk Suhl). In den Staatsarchiven Altenburg, Gotha und Greiz sind kleinere Überlieferungen von Innungen, Zünften und Kammern und nur von sehr wenigen Unternehmen vorhanden. Archivgut der kommunal geleiteten Wirtschaft findet man in vielen Stadtarchiven, ergänzt durch Einrichtungen zur Versorgung der Bevölkerung, Produktions-, Handels- und Handwerksgenossenschaften. Manch wirtschaftshistorische Schätze sind in der Thüringer Museumslandschaft verborgen, aber nur im Fall der Lederfabrik in Hirschberg und des Bädergeschichtlichen Archivs in Bad Liebenstein sind diese Bestände zugänglich.

2010 wurde bei der Industrie- und Handelskammer Erfurt das Thüringer Wirtschaftsarchiv e. V. gegründet. Ziel dieses Archivs ist es, wirtschaftsgeschichtliche Quellen von heutigen Unternehmen und Wirtschaftsverbänden sowie gegebenenfalls Altüberlieferung zu sichern, dauernd aufzubewahren, für die Forschung nutzbar zu machen und so Verlusten von archivwürdigem Wirtschaftsschriftgut entgegenzuwirken.